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Kletterseil – Welches ist das richtige und worauf achten?

Die Auswahl des ersten oder nächsten Kletterseils gleicht vom Recherche-Aufwand her für viele Kletterer der Anschaffung eines neuen Sportwagens. Gewicht pro Meter, Fangstoß, Farbe, welcher Profi benutzt es? Alles wichtige Fragen, oder?

In diesem Artikel erfährst du alle wichtigen Unterscheidungen und worauf du wirklich achten musst, um dein ideales Kletterseil zu finden.

Geschichte des Kletterseils: Von Hanf und Kernmantelseilen

In grauer Vorzeit als das moderne Sportklettern noch nicht mal erdacht war, kletterten die Helden der Berge im Mittelgebirge und den Alpen überwiegend mit Seilen aus Hanffaser. Diese hatten nicht nur die unangenehme Eigenschaft bei den meisten Stürzen zu reißen, sondern verfaulten auch unweigerlich.

Insgesamt waren das alles andere als beste Voraussetzungen, um alpine Grenzen zu verschieben. Nichtsdestotrotz wurden die großen Wände der Alpen ungeachtet der gefährlichen Hanfseile geknackt und es wurde auch trotz oder gerade aufgrund eines drohenden Absturzes bereits schwer geklettert.

Als die graue Vorzeit dann endete (irgendwann in den 50ern) erfand die Firma Edelrid das Kernmantelseil und mischte die Karten grundlegend neu. Zusammen mit besserwerdenden Haken und Sicherungsmaterial leisteten die neuen Kernmantelseile ihren Beitrag zur ungemein gestiegenen Lebenserwartung der Alpinisten und Kletterer.

Kernmantelseile bestehen, wie der Name schon sagt, aus Kern und Mantel. Dabei trägt der Kern, bestehend aus einer Unzahl von verwobenen Einzelfäden, die Last und der Mantel schützt den Kern vor äußeren Einflüssen, wie Schmutz, Abrieb und Sonneneinstrahlung.

Gerade die neue Seiltechnologie und Bühlerhaken ermöglichten die Entwicklung des modernen Sportkletterns, bei dem Stürzen zum Tagesgeschäft gehört.

Welche Kletterseile gibt es? Die Unterschiede erklärt

Historisch gewachsen und auch aufgrund der vielen Teildisziplinen des Kletterns gibt es viele verschiedene Kletterseile. Die wichtigsten Unterscheidungen sind zwischen dynamischen und statischen Seilen, sowie Einfachseil und Doppelseil zu finden. Es handelt sich jedoch bei allen Seilen mit einer Ausnahme, um Kernmantelseile.

Die verschiedenen Zertifizierungen von Kletterseilen in Einfachseil, Halbseil und Zwillingsseil

An diesen Kennzeichnungen erkennst du, um welchen Seiltyp es sich handelt.

Das Einfachseil wird vor allem im Klettergarten und in der Halle eingesetzt, während Doppelseil (Halbseile oder Zwillingsseile) im alpinen Raum und beim Trad-Klettern verwendet werden.

Das Einfachseil

  • Erhältlich von 30 – 100 m
  • Durchmesser von 8,7 – 11 mm
  • Preise variieren je nach Hersteller und Ausführung

Das Einfachseil ist das am häufigsten eingesetzte Sicherungsseil beim Klettern. Im Klettergarten und in der Halle wird nur diese Seilart genutzt. Einfachseile werden mit einem Symbol gekennzeichnet, dass aus einer „1“ mit einem Kreis darum besteht.

In den letzten Jahren werden die Durchmesser immer geringer und die Seile auch immer leichter. Aktuell gibt es zugelassene Einfachseile mit unter 9 mm. Üblich sind jedoch 9,2 – 10,5 mm starke Einfachseile. Wer seinem Seil viel abverlangt, tendiert dabei eher zum oberen Ende der Skala. Durch die Dicke erhöht sich die Haltbarkeit und auch die Zahl der Normstürze nimmt zu.

Beim Ausbouldern von Routen treten starke Belastungen für das Seil auf durch viele Stürze und ständiges Hochziehen zur letzten Expresse. Es ist üblich für diese Art der Arbeit ein dickeres Einfachseil zu nutzen und dann im Rotpunktversuch ein dünnes, leichtes Seil einzusetzen.

 

Tipp: Nach einem großen oder vielen kleinen Stürzen braucht das Seil bis zu 15 Minuten, um sich zu regenerieren. Um die Lebensdauer zu erhöhen, sollten regelmäßig die verwendeten Enden abgewechselt werden.

Sehr dünne Seile sind schwieriger im Handling und gerade mit Tubern ist höchste Vorsicht geboten, da deren Bremsfähigkeiten mit dem Durchmesser eines Einfachseils abnehmen. Der Effekt wird verstärkt, wenn das Seil zusätzlich imprägniert ist.

Einfachseile werden üblicherweise in Längen zwischen 50 – 80 m verkauft, wobei ein 70 m Seil die meisten Anforderungen abdeckt.

In der Regel weist jedes Seil eine Mittelmarkierung auf. Diese sagt dem Kletterer, dass der Vorsteiger bei Ausgeben von Seil über die Markierung hinaus nicht mehr zum Boden abgelassen werden kann. Mittelmarkierungen können aus einer einfachen farblichen Markierung bestehen bis hin zu einer Änderung des Webmusters des Mantels. Bei Kürzen eines Seilendes stimmt diese Markierung nicht mehr, was zu potenziell gefährlichen Situation führen kann. Zur Sicherheit ist immer ein Knoten am Seilende anzubringen.

Dynamische und statische Kletterseile – was ist der Unterschied?

Alle Seile, die beim eigentlichen Klettern – ob Sportklettern oder Alpinklettern – zum Einsatz kommen, sind sogenannte dynamische Seile. Das bedeutet, dass sie sich unter Belastung, beispielsweise bei einem Sturz dehnen und so die Kräfte, die auf Kletterer und Sicherungskette wirken vermindern. Dadurch werden Verletzungen und Materialversagen verhindert.

Darüber hinaus gibt es auch sogenannte Statikseile, die streng genommen eigentlich halb-statische Seile sind. Kletterseile, die sich gar nicht dehnen sind kaum herstellbar. Jedoch dehnen sich Statikseile sehr viel weniger als dynamische Kernmantelseile zum Klettern. Sie werden überwiegend genutzt, um daran mit Steigklemmen aufzusteigen bzw. abzuseilen. Einsatzorte sind Höhenarbeiten am Seil, aber auch das Einbohren von Kletterrouten oder Nachziehen von Materialsäcken in Big Walls.

Im Bereich der Statikseile gibt es auch die sogenannten Mantel-Kern-Seile, die vor allem beim Baumklettern Einsatz finden. Bei diesen trägt der Mantel gemeinsam mit dem Kern die Last.

Doppelseil – der Unterschied von Halbseil und Zwillingsseil

Halbseile im Einsatz beim Alpinklettern

Halbseile im Einsatz beim Alpinklettern

Unter dem Begriff „Doppelseil“ wird der Einsatz von zwei Seilen gleichzeitig verstanden, wobei Halbseile oder Zwillingsseile gemeint sein können. Es handelt sich dabei ebenfalls um Kernmantelseile, die jedoch dünner sind als übliche Einfachseile. Der Unterschied zwischen Halbseil und Zwillingsseil liegt in ihrem Einsatzspektrum.

Zwillingsseile werden, wie ein Einfachseil gemeinsam genutzt und dürfen niemals einzeln belastet werden. Vorstieg und Nachstieg sind stets an beiden Seilen zu klettern und in Zwischensicherungen werden ebenso beide Seilstränge gemeinsam eingehängt. Durch dieses enge Einsatzspektrum können Zwillingsseile dünner sein als Halbseile oder Einfachseile. Jedoch werden sie heutzutage nur noch wenig benutzt, da Halbseile vielfältiger einsetzbar sind.

Im Gegensatz zum Zwillingsseil können Halbseile jeweils in unterschiedliche Zwischensicherungen einzeln geclippt werden, um eine bessere Absicherung und weniger Seilreibung zu ermöglichen.

Darüber hinaus können zwei Nachsteiger jeweils nur an einem Sicherungsseil beim Klettern gleichzeitig gesichert werden. So sind Dreier-Seilschaften möglich bei denen ein Vorsteiger in beide Halbseile eingebunden ist und die beiden Nachsteiger jeweils in einen der Seilstränge. Dies ist bei Zwillingsseilen nicht möglich, da sie keine ausreichende Sicherheitsreserve im Einzelstrang aufweisen.

Der Einsatz von Doppelseilen bietet folgende Vorteile:

  • erhöhte Sicherheitsreserve bei Stürzen
  • Zweites Seil als Backup bei Verlust des anderen (z. B. Steinschlag oder verklemmen)
  • doppelte Abseilstrecke im Vergleich zum Einfachseil

Inzwischen gibt es sogar sehr dünne Kletterseile, die eine dreifach-Zulassung besitzen. Sie sind dann zugelassen als Einfachseil, Halbseil und Zwillingsseil. Einfachseile und Halbseile können immer als Zwillingsseile genutzt werden, jedoch ein Halbseil, dass als Einfachseil geklettert werden kann, ist eine Innovation.

Daraus resultiert ein Einfachseil mit unter 9 mm Durchmesser, das beim Sportklettern eingesetzt werden könnte. Allerdings wird das in der Praxis eher nicht gemacht, da die Haltbarkeit so dünner Seile im Einzelstrang nicht sehr hoch ist.

Für den Einsatz als Doppelseil erhöht die dreifache Zulassung jedoch die Sicherheitsreserve.

 

Technische Details von Kletterseilen

Normstürze, statische- und dynamische Dehnung, holderi und holdero. Wie bitte? Auf den ersten Blick wirken die technischen Angaben der Hersteller bei der Auswahl eines Kletterseils erstmal verwirrend.

Sie werden anhand der Norm EN 892 geprüft, um die Sicherheit für den Kletterer zu gewährleisten. Dabei werden mehrere Eigenschaften des Seils untersucht und für den Verbraucher festgehalten.

Die wichtigsten Messwerte im Überblick:

Ein Normsturz ist eine theoretische Größe, die in der Realität beim Klettern fast nicht vorkommen kann. Dabei fällt ein definiertes Gewicht von 80 kg aus 4,80 Metern Höhe in ein fixiertes Seil, das durch einen Karabiner umgelenkt wird. Zum einen ist der Sturz gigantisch und zum anderen bleibt bei solchen Kräften in der Realität kein Sicherungspartner stehen, sodass sehr viel Energie durch die Bewegung aufgenommen wird.

Ein Normsturz hat also nichts mit sogar sehr weiten Stürzen beim Sportklettern gemeinsam. In der Theorie gilt aber, je mehr Normstürze, desto länger hält das Seil. In der EU verkaufte Seile müssen mindestens 5 Normstürzen standhalten. Auf dem Markt gibt es Einfachseile mit 10 und mehr Normstürzen.

Kletterseile reißen im Kletteralltag heutzutage nicht mehr, außer unter folgenden Umständen:

  • Das Seil läuft über eine Kante und wird beim Sturz quasi abgeschnitten
  • Das Seil hatte Kontakt mit Säure und dadurch wurde das Material verändert

Das Gewicht des Kletterseils pro Meter ist theoretisch interessant, wenn man sehr lange Routen klettert, da man hier das Gewicht der ausgegebenen Meter Seil bewältigen muss. Praktisch hängt das gefühlte Gewicht des Seils aber eher von der Seilreibung ab, da selbst bei 50m ausgegebenem Seil das tatsächliche Gewicht noch relativ gering ist.

Interessant ist die Angabe g/m vor allem für das Gewicht im Rucksack beim Zustieg zum Fels und das Einplanen von Gewichtsrestriktionen im Flugzeuggepäck.

Bei Kernmantelseilen gibt der Mantelanteil an, wie viel Prozent des Seils der Mantel ausmacht. Bei Seilen, die beim Topropen oder Ausbouldern von Routen stark unter Abrieb leiden ist ein hoher Mantelanteil vorzuziehen.

Glücklicherweise ist das Problem der Mantelverschiebung heute weniger präsent als noch vor einigen Jahren. Im Handling des Seils äußert sich eine Verschiebung dadurch, dass Mantel und Kern voneinander getrennt beweglich sind. Dann kann es passieren, dass der Mantel über das Seilende rutscht oder sich an Stellen im Seil aufschiebt.

Die Hersteller haben hier große Fortschritte gemacht, aber nichtsdestotrotz ist in der Norm ein Grenzwert vorgegeben. Dieser hat für den Seilkauf allerdings wenig Aussagekraft.

Bei Interesse: Hier findet ihr eine Erklärung aller Werte der Norm >>

Wertvolle Tipps für den Umgang mit dem Kletterseil

In diesem Abschnitt erwarten dich Tipps über den richtigen Umgang mit deinem Seil, um Lebensdauer und Sicherheit zu optimieren.

Kletterseil auspacken und abrollen

Falsch abgerollte Kletterseile krangeln stark.

Warum ist das so und wie rollt man ein Seil richtig ab?

Kletterseile werden nach der Herstellung von einer Maschine aufgerollt. Dies kann man sich in etwa vorstellen, wie das Aufnehmen von Kabel um den Ellenbogen herum. Diese Art des Aufnehmens ist unüblich im Kletteralltag, da so fiese Krangel beim Handling entstehen. Viel besser ist es das Seil in Schlaufen aufzunehmen oder ganz lose im Seilsack zu lagern.

Wie man ein Kletterseil beim ersten Mal richtig abrollt, erfährst du in diesem Video:

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Seilsack und Plane

Schmutz und Staub auf dem Seil führen nicht nur zu schwarzen Händen beim Sichern, sondern verkürzen auch die Lebensdauer des Kletterseils. Insbesondere feiner Sand dringt ins Innere ein und verletzt den Kern.

Die einfachste Möglichkeit, um deine Seile zu schützen ist der Einsatz eines Seilsacks. Diese bieten neben einer Aufbewahrungstasche für den Transport und Lagerung eine Plane auf der am Fels und in der Halle das Seil ausgelegt werden kann.

An sehr staubigen Felsen lohnt es sich eine zweite Schicht Plane einzusetzen, um das Seil sauber zu halten. Die großen blauen oder grauen Plastikfolien aus dem Baumarkt haben sich hier als Unterlage für Seilsack und Sicherer bewährt.

Gelagert werden Seile übrigens am liebsten liegend an einem dunklen, trockenen Ort im Seilsack. Das ungeschützte Aufhängen von Seilen bei der Lagerung kann unter Umständen die Lebensdauer verkürzen.

 

Lebensdauer eines Kletterseils

Wie lange kann man ein Kletterseil verwenden und wann sollte es ausgetauscht werden? Das ist schwer zu sagen und hängt unter anderem von der Behandlung durch den Kletterer und dem Seilalter ab.

Eine regelmäßige Prüfung durch Abtasten des gesamten Seils auf Unregelmäßigkeiten und Verdickungen kann hier Hinweise bieten.

Die Firma Edelrid (Erfinder des Kernmantelseils) sagt dazu folgendes:

„Auch nicht benutzte Seile altern und sollten allerspätestens nach zehn Jahren ausgetauscht werden, da Kunststofffasern altern. Bei nur gelegentlicher Benutzung und guter Lagerung kann ein Seil durchaus drei bis sechs Jahre gute Dienste leisten. Wer dagegen regelmäßig klettert und dabei auch öfter stürzt, wird sein Seil spätestens nach einem Jahr austauschen oder zum »Topropeseil« herabstufen. Genaue Zahlenwerte kann man für die Gebrauchsdauer aber nicht angeben. Vor allem das störrische Handling oder das abgenutzte Äußere werden dem sicherheitsbewussten Kletterer signalisieren, dass ein Austausch fällig ist.“

Die wenigsten Kletterer, die regelmäßig aktiv sind, werden ein Seil nach nur einem Jahr austauschen. Eine interessante Untersuchung hat hierzu die Zeitschrift Alpin über die verbliebene Haltbarkeit von bis zu 30 Jahre alten Seilen durchgeführt.