Wenn ich an Norwegen denke, dann wird vor meinem inneren Auge alles blau, grau, grün und weiß. Diese Farbkombi begleitete uns die ganze Reise und man wird irgendwie eins damit. Wunderschön. Aber ich fange lieber am Anfang an.
Nachdem ich 8 Monate weltreisenderweise mit Abwesenheit in den heimischen Gefilden glänzte, fiel es mir schwer mich außerhalb des Kletterns im Frankenjura wieder einzuleben (fränkisches Klettern klappte allerdings ganz hervorragend). So fiel der Entschluss einfach nochmal wegzufahren, bevor ich es im September erneut versuchen wollte.
Klettern in Norwegen sollte es sein. Genauer: Hanshelleren Cave. Für die meisten einfach nur unter dem Namen Flatanger bekannt. Das derzeitige Mekka des weltschweren Sportkletterns und ich war mir sicher, dass unterwegs wohl auch noch das ein oder andere Stück Fels warten würde.
Auto? Der Golf meines kleinen Bruders wurde in verflucht karibischer Manier gekapert und die einschlägigen Topos online geordert. Reisepartner? Unnötig, denn ich war es ja gewohnt alleine zu reisen. Jedoch sprach sich mein Vorhaben rasch herum und so stieß Markus dazu. Eine glückliche Fügung des Schicksals bescherte mir also einen starken, ultramotivierten Kletterpartner in ähnlichen Lebensumständen. Der Altersunterschied war jedoch beachtlich. Generationenclash vom Feinsten. Musiktechnisch fanden wir uns aber sofort.
Der Song des Trips: Bat out of Hell von Meat Loaf
Ich empfehle bei der weiteren Lektüre den Song für gute Laune laufen zu lassen.
Nur unterbrochen von sinnlichen Pink-Floyd-Andachten und unangebrachten Helge-Schneider-Zwischenrufen.
Täglich plärrten wir unsere Begeisterung in die feucht-kalte norwegische Bergluft. Und ich bin mir sicher, dass die vorbeiziehenden Flüsse und Wasserfälle zustimmend mitrauschten.
Der Tag ist da. Auto bis unters Dach voll. Wo soll Markus da noch reinpassen? Egal und los!
Markus in Hamburg aufgegabelt, in den Golf gefaltet und los ging es über Dänemark und eine sehr teure Brücke nach Schweden. Dort erwartete uns ein cooles Pärchen, dass ich in Vietnam kennengelernt hatte.
Göteborg, Schweden
Das Navi lotste uns mitten in ein Wohngebiet und wir waren sehr unsicher, ob uns meine Connection die richtige Adresse geschickt hatte. Zudem waren sie nicht da. Wir suchten also einen Parkplatz und kramten Müsli und O-Saft für ein kleines Frühstück hervor. Das Kaffeekochen vor dem Kofferraum erntete uns einige belustigte Blicke.
Die Suche nach einem kommoden Ort für blasentechnische Erleichterung offenbarte dann die unerwartete Überraschung: eine zauberhaft aussehende Granitwand mit vielen weiß-strahlenden Versprechungen 50m hinter dem letzten Wohnhaus. Quasi mitten in der Stadt. Gut versteckt hinter ein paar Bäumchen. Nicht schlecht.
Kletterspot: Hylteberget
Eine Ansammlung mehrer kleiner Granitwände in unterschiedlichen Farben in einem kleinen Waldstück hinter den Wohnhäusern. Landschaftlich nicht umwerfend, aber die Kletterei ist auf jeden Fall einen Stop wert.
Das Gebietet bietet 85 Sportrouten zwischen 5 und 8b. Zwischendrin finden sich immer wieder selbst abzusichernde Linien für jedes Level. Die Schweden mögen nämlich eigentlich keine Bohrhaken, aber machen glücklicherweise immer wieder mal Ausnahmen.
Routenempfehlungen:
Mefisto 6c
Meine erste Route im Granit aller Zeiten. Etwas länger als der Rest an der Hauptwand gelegen, erwartete mich nach einer etwas eigenartigen Balancecrux zu Beginn der berühmte und einzige Tufa Schwedens. Na gut kein echter Tufa aber das granitäre Pandon. Sehr spaßig.
Finn Fem Fel 7a
Etwas weiter hinten gelegene rötliche Wand mit kurzen, aber beeindruckend brutalen Routen. Die Maximalkraft ja nicht im Auto liegen lassen.
Forex 8a
Leider nicht gemacht, aber sieht sehr sehr cool aus. Im Fels finden sich großflächig gemeißelte schwarze Runen, was das ganze strange und aufregend kleidet. Hier geht es zu einem sehr liebevoll gemachten Video >>
Eine Routenliste und weitere Info´s + Bilder zu Hylteberget findet ihr hier.
Nach ein paar kürzeren 7a und b Routen fing es an zu regnen und wir entschlossen uns die berühmte Granitgrottan anzufahren. Der schwedische Hardmover Hotspot mit Weltgeltung. Oder wenigstens Schwedengeltung vielleicht. Dani Andrada war auf jeden Fall mal da.
Patschnass und irgendwie gar nicht mal so beeindruckend.
Irgendwo übernachtet und auf nach Norwegen, das ganz untypisch laut Wetterbericht Sonne versprach.
Oslo, Norwegen
Oslo, eine der teuersten Städte der Welt bietet viele kleine Kletter- und Bouldersektoren. Meist mit Blick auf´s Wasser. Wunderschön. Wir trafen unsere schwedischen Gangmitglieder wieder am Parkplatz zum Sektor Hammern.
Eine kleine Uferstraße führt entlang eines süßen See´s mit Steg und schockierend kaltem Wasser zu einer Art Picknickplatz mit Holzbank und Parkmöglichkeit. Gezeltet haben wir in skandinavischer Tradition weit genug vom nächsten Haus direkt am Wasser in bezauberndem Grün. Wunderschöne Abendstimmung zu viert am See mit Lagerfeuer, Abendessen und selbstgebrautem Bier. Später gesellte sich noch ein kürzlich ausgestiegenes Schweizer VW-Bus-Paar mit Hund zu uns. Einer dieser Abende an denen man genau am richtigen Ort in der ganzen Welt ist.
Lauschiges Plätzchen und wir blieben ein paar Tage.
Kletterspot: Hammern
Eine Hauptwand mit mehreren kleineren Wandabschnitten links und rechts. Klettereien von 5m – 20m in sehr hellem und gutem Granit. Etwas höher gelegen mit Blick auf den See. Links gibt es wirklich sehr anspruchsvolle Platten mit perfekter Absicherung. Der Rest ist eher senkrecht bis steil an Leisten und Slopern.
Es warten 33 perfekt gebohrte Sportrouten an glänzenden Bühlern zwischen 4 und 7c mit Schwerpunkt zwischen 6b und 7b. Planwirtschaft für Kletterer vom Feinsten. Die Wand bescheerte uns 2-3 schöne Klettertage in toller Umgebung.
Routenempfehlungen:
Ikke helt i vater 7a
Normleisten in Granit mit durchgehend schwierigen Zügen und einem Finale, dass volles Engagement fordert.
Kjipe Vibber 7a
Kurze und zehrende Kletterei gefolgt von einem sehr anspruchsvollen Mantle.
Markus will den Mantle!
Mehr Info´s, Routenliste und weitere Bilder gibt´s hier.
Abschied von unseren Freunden. Sehr teuer im Zentrum in Oslo geparkt und die Stadt angeschaut mit Stopp am Königsschloss, der weltbekannten Oper und kostenlosem Museum.
Nächster Haaaaalt:
Setesdal
Nach anfänglichem willkommen und Sonnenschein spielte Norwegen dann doch noch seinen rauhen Charme aus, für den es bekannt ist. Regen, Kälte, beschlagene Scheiben und nasse Socken.
Wir schlugen unser Zelt auf einem Campingsplatz im idyllischen Setesdal auf. Bekannt für gut abgesicherte Mehrseillängenplatten und bombensicheres Gestein. Nach einem Bericht in der klettern über das Klettern in Norwegen sehr früh in meiner Vertikalkarriere kaufte ich schonmal prophylaktisch den Topo. Ich wollte dorthin.
Doch das Wetter verwandelte die wirklich gut aussehenden Bergfronten in schleimige Glibberbäche. So warteten wir auf bessere Zeiten und gingen Sportklettern.
Sportklettern oho wow erste Sahne, wie es sich herausstellte. Zwischendurch ging uns aber das Chalk aus. Ungelogen: Mehrere hundert Kilometer Fahrerei dauerte es, bis wir in der Tennisabteilung eines Sporthauses zufällig Chalkballs baumeln sahen.
Zurück zum Klettern:
Kletterspot: Urdviki
Einer meiner Lieblingsfelsen von allen, die ich gesehen habe. Der Zustieg führt durch ein unerschlossenes Bouldergebiet über Stock und Stein hinauf zur Wand. Unerschlossen, weil angrenzend ein Schieß-Übungsplatz der norwegischen Polizei ist. An der Wand kriegt man davon allerdings nichts mit. Die Ausmaße sind gigantisch, die Routen verführerisch gut und die Stimmung norwegisch-romantisch. Am Fels haben wir den fränkischen Erschließer Joshi Schulz getroffen, der gerade eine weitere logische Toplinie entlang eines schrägen Risses einbohrte.
Urdviki verspricht leicht überhängende Kletterei an Leisten und Slopern zwischen 20m und den Projekten nach unendlich langen Routen. Wiedermal perfekt eingebohrt und weiter oben am Berg werden die Touren leichter.
Es gibt 40 Routen zwischen 6a und 8a+/b. Jedoch sind wahrscheinlich inzwischen weitere hinzugekommen. Ab 6b gibt es mehrere pro Grad bis nach ganz oben. Der Fels bleibt in Sturm und strömenden Regen großflächig trocken durch seine schiere Höhe und die leichte Neigung. Wir kletterten regelmäßig mit einer Wand aus Wasser im Rücken. Ohne Probleme.
Routenempfehlungen:
Fiesta 7b+
35m feinste Granitkletterei an runden Granitstrukturen und Leisten. Nach dem längenlastigen Einstiegsboulder folgt aufregende Kletterei, die einem alles abverlangt von Handklemmer bis Deadpoint. Oben wartet nochmal ein pumpiges Finale an Leisten. 5 Sterne-Traumtour.
Eins, zwei, drei, vier! 7c
20m pumpige und technisch anspruchsvolle Kletterei ohne guten Ruhepunkt hin zu einer Crux, die sich gewaschen hat. Nach dem Mantel am Schluss klippt sich der Umlenker freihändig zur Belohnung.
Mehr Info´s und Routenliste findet ihr hier.
Die Zeit drängte, das Wetter blieb schlecht und die Motivation verlangte nach einer Pause, die länger als eine Nacht Erholung versprach. Wir fuhren weiter und klapperten die touristischen Naturspektakel Kjeragbolten und Preikestollen an. Selbstverständlich im Regen. Alles. Unterwegs fahren wir durch Bergen, die regenreichste Stadt Norwegens und am Straßenrand verkauft man lokale Kirschen.
Schluss! Im zweiten Teil geht´s dann weiter und Freunde der Sonne es wird wärmer.