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Klettern – die ultimative Einführung
In diesem Artikel nehme ich dich mit auf eine Reise durch die bunte Welt des Kletterns. Wir werden lernen, was man heute unter Klettern versteht, wer, wo und wie man klettert und welche Spielarten es gibt. Anschließend besuchen wir die Weltspitze des Klettersports und ihre schwersten Routen. Und zuletzt beleuchten wir noch die aktuelleste Entwicklung im Klettersport: Klettern wird olympisch!
Was ist Klettern?
Wenn man heute vom Klettern spricht, dann geht es entweder um Kinder, die ihren natürlichen Bewegungs- und Entdeckungsdrang spielerisch ausleben oder um den modernen Klettersport als Freizeitaktivität.
In den Nachrichten tauchen immer wieder mal dramatische Artikel mit Schlagwörtern, wie Free Climber, Extrem-Kletterer oder Free Solo auf. Sehr oft werden die Begriffe von den Redakteuren nicht wirklich verstanden und so tragen die falsch verwendete Begriffe weiter zur öffentlichen Verwirrung bei.
Was für den einen „EXTREM“ ist, kann sich bei genauerer Betrachtung als beliebter und weitgehend sicherer Breitensport herausstellen.
Für viele Kletterer und Boulderer ist das Klettern ein ganzheitlicher Lifestyle mit dem sie sich identifizieren. Dazu gehören unter anderem ausgedehnte Reisen zu atemberaubendem Orten, ein natürlicher und umweltverträglicher Lebensstil, Kaffee, ganz viel Kaffe von höchster Qualität zu jeder Tages- und Nachtzeit, ausgebaute VW-Busse, Mützen und noch vieles mehr. Eine sehr schöne und verschrobene Szene zwischen Aussteigertum und Leistungssport.
Wir wollen uns in diesem Artikel weiter über die Sportart Klettern und ihre vielen Spielformen unterhalten.
Wer kann klettern?
Absolut jeder, der Lust darauf hat. Egal ob 8 oder 88+ Jahre. Am populärsten sind das Sportklettern mit Seil in der Halle und am Fels und das Bouldern in geringer Höhe über weichen Matten. Es gibt für beide Disziplinen wahrscheinlich hunderte Hallen in Deutschland. Diese bieten alle Schnupperstunden, Einsteigerkurse und vieles mehr für die ersten Gehversuch in der Vertikalen an. Diese Angebote sollte man nutzen, aufgrund des vorhandenen Gefahrenpotentials bei falscher Verwendung der Sicherungsmöglichkeiten.
Wo kann man klettern?
Ursprünglich waren die Berge das Objekt der Begierde im Klettersport. Für diese hat man in den heimischen Mittelgebirgen trainiert. Mit der Zeit hat sich das Klettern dort an den kürzeren Routen, die eigentlich nur Training waren, zu einer eigenen Disziplin (Sportklettern) entwickelt. In einem weiteren Schritt ist auch das Interesse an den ganz kleinen Felsen gewachsen für die man überhaupt keine Absicherung, außer eventuell Matten, mehr braucht – das sogenannte Bouldern.
So gibt es heute beim Klettern drei große Disziplinen:
- Alpin-Klettern an hohen Wänden
- Sportklettern (üblicherweise bis zu einer Höhe von 30-40m)
- Bouldern in Absprunghöhe
Seit den 90er Jahre hat sich das Klettern an künstlichen Wänden mit Plastikgriffen immer weiter entwickelt. In den letzten Jahren hat zuerst das Sportklettern in der Halle immer mehr Zulauf erhalten. Der ganze große Boom findet allerdings gerade im Bouldern statt. Mit gutem Grund, denn Bouldern macht einfach Spaß!
Da das Klettern und Bouldern in der Halle für die meisten Menschen den ersten Berührungspunkt mit dem Klettern darstellt, habe ich im Artikel „Indoor-Klettern“ alles Wissenswerte darüber zusammengestellt.
Ebenso gibt es in den größeren Klettergebieten auch Kletterschulen, mit deren Hilfe man die ersten Klettererfahrungen gleich in der Natur am Fels machen kann.
Höhenangst ist dabei übrigens kein besonders großes Problem. Mit einer positiven Einstellung wird man mit dieser meistens schnell fertig. Wer sich aber gar nicht für die großen Höhen interessiert, kann einfach mit dem Bouldern anfangen. Die Trenddisziplin ist so populär, dass viele Sportler ausschließlich bouldern und nie am Seil klettern.
Wie klettert man? – Eine Frage des Stils
Das frühe zwanzigste Jahrhundert war vor allem durch die Zeit des Erorberungsalpinismus geprägt. Der Gipfel hoher Wände und Berge war das Ziel und dafür jedes Mittel gut genug. Haken zum einschlagen in Ritzen, Bohrhaken und viele weitere kreative Befestigungen im Fels, an denen man sich sichern und hochziehen kann, wurden für das Klettern entwickelt und genutzt.
Der technische Fortschritt erreichte einen Punkt an dem alles und jede Wand mit nur ausreichendem Materialeinsatz möglich wurde. Etwa seit den 1970er Jahren übernahm eine neue Generation und Denkweise von Kletterern die Führung im Klettersport. Sie waren hungrig auf Abenteuer und wollten sich von der alten Generation abgrenzen.
Das Freiklettern wurde populär: Klettern ausschließlich aus eigener Kraft mit Händen und Füßen, wobei das Seil nur noch als Lebensversicherung dient. Heute versteht man unter dem Begriff Klettern üblicherweise Freiklettern.
Lies mehr über die verschiedenen Begehungsstile beim Klettern und die Entwicklung des Freikletterns
Inzwischen wird schon seit einigen Jahrzehnten frei geklettert und es haben sich einige aufgrende Disziplinen entwickelt, die ich dir im folgenden vorstellen werde.
Spielarten des (Frei-)Kletterns
Hier eine kleine Übersicht der wichtigsten Spielarten des Freikletterns:
Sportklettern
Das Sportklettern ist die wohl verbreiteste Form des Kletterns. Routen werden mit Bohrhaken präpariert. In diese werden Karabiner (Express-Sets) eingehängt, um das Seil bei Erreichen eines Hakens einzuklippen. Der Kletterer fällt immer nur soweit, wie er über dem letzten geklippten Haken steht + eventuell vorhandes „Schlappseil“ und wird vom Sicherer mithilfe des Sicherungsgerät gefangen.
Bekannte Sportklettergebiete sind z. B. Siurana in Spanien, das Frankenjura und die Pfalz in Deutschland.
Bouldern
Bouldern ist Klettern in Absprunghöhe und eine eigenständige Disziplin. Bouldern in der Halle boomt außerdem als ganzheitliche und spaßigere Alternative zum Fitness-Studio. Keine Seile, keine Ausrüstung, sondern einfach nur Spaß mit Freunden über einer dicken Weichbodenmatte. Und auch am Fels ist die Popularität des Boulderns weiterhin zunehmend und ungebrochen.
Neugierig? Lies mehr in meinem Artikel Was ist bouldern? Das Pandon zu dieser Einführung zum Thema Klettern für den Bouldersport mit Allem, was du wissen musst.
Trad(itional)-Klettern
Eine anderer Name ist Clean Climbing oder im englischen Sprachgebrauch auch kurz und einfach Trad [Trähd] genannt. Dabei wird genau, wie beim Sportklettern freigeklettert, jedoch werden zur Absicherungen nur mobile Sicherungsgeräte, wie Klemmkeile und sogenannte Friends in Rissen und Löchern im Fels angebracht.
Trad-Kletterer sind eine spezielle Spezies, die sich gern als die Spitze der kletternden Nahrungskette empfindet. Jedoch stammen die härtesten Begehungen von Trad-Routen üblicherweise von Sportkletterern, die sich für eine neue und aufregendere Disziplin interessieren. Seinen Besonderen Reiz hat das traditionelle Klettern durch die Verantwortung für das eigene Leben fernab von zementierten Haken. Das ganze ist sehr aufregend und für größere Unternehmung in den Bergen und den großen Wänden der Welt eine Voraussetzung. Die ersten selbst abgesicherten Routen sind aber ganz klar Typ-2-Spaß und mehr als furchterregend bis man seinen Fähigkeiten zu vertrauen lernt.
Deep Water Soloing
Freiklettern über tiefem Wasser als Absicherung. Ein Sturz endet erfrischend am Fuß der Wand im Wasser. Beim Deep Water Soloing geht es um Mut, Sonne und Freude am Klettern.
Alles zum Thema, die besten Spots und, was man dabei beachten muss, findest du auf der Seite Deep Water Soloing.
Mehrseillängen-Klettern (Multipitch)
Diese Disziplin verbindet man im deutschsprachigen Raum natürlich mit den großen Wänden der Alpen. Allerdings findet Mehrseillängen-Klettern überall dort statt, wo die Wandhöhe eine Länge von 30-40 Metern übersteigt. Vor allem in Spanien und Frankreich finden sich auch Sportkletterseillängen mit bis zu 70 Metern. Hierfür benötigt man allerdings extralange Seile oder spezielle Abseilmanöver.
Üblicherweise klettert man hohe Wände allerdings in mehreren Seillängen. Das hat den Grund, dass typische Seile zwischen 60 und 70 Metern Länge haben. Wenn man also über 35 Meter klettert, wird es schwierig diesen Weg mit dem selben Seil wieder nach unten abgelassen zu werden. Also klettert man bis zu einem (meist) fixierten Standplatz in der Wand, sichert seinen Partner zu diesem Punkt nach und startet dann von dort in die nächste Seillänge. Dieser Vorgang wird widerholt bis man am Gipfel angelangt ist und anschließend alle Seillängen wieder abseilt oder hinten herunter zu Fuß nach unten geht.
Viele Mehrseillängen-Routen sind mit Bohrhaken abgesichert, wie beim Sportklettern. Besonders in den unteren Graden der Schwierigkeitsskala muss man allerdings die Kletterei oft selbst absichern, wie beim Trad-Klettern.
Eisklettern und Mixed(-Klettern)
Eisklettern und Mixed-Climbing sind die Winterdisziplinen des Kletterns. Es wird an gefrorenen Wasserfällen und gemischten Eis- und Felsrouten (Mixed) mithilfe von spitzen Eisäxten und Steigeisen geklettert. Dabei schraubt man zur Absicherung Eisschrauben ins Eis, während in Mixed-Routen oft Bohrhaken existieren, sowie Möglichkeiten zur Selbstabsicherung mit Keilen und Friends im Fels. Das Ganze gibt es in allen Höhen und Schwierigkeiten als Mehrseillängen und kleinere Abenteuer.
Du hast es bis hierher geschafft? Gute Arbeit! Lass uns nun in das hier und jetzt springen.
Die schwersten Routen und die bekanntesten Kletterer
Die im Augenblick schwierigste Route der Welt trägt den Namen „Silence“ im Schwierigkeitsgrad 9c. Sie befindet sich in Flatanger, Norwegen und wurde von Adam Ondra erstbegangen.
Man kann sich die Route als aus mehreren Teilen mit guten Rastpositionen dazwischen bestehend vorstellen:
Zuerst eine Route im Schwierigkeitsgrad 8b gefolgt von einem 8C/V15-Boulder, gefolgt von einem 8B/V13-Boulder, gefolgt von einem 7C/V9-Boulder und anschließendem rausklettern in leichterem Gelände. Wer sich darunter nichts vorstellen kann, ist nicht allein. Es wird einige Zeit dauern bis diese Route, falls überhaupt jemals, wiederholt werden wird.
Zu den bekanntesten Routen der Welt gehören, um ein paar Beispiele zu nennen, außerdem:
- „Action directe“ 9a, die erste Route weltweit in diesem Schwierigkeitsgrad. Erstbegangen von der Legende Wolfgang Güllich. Kürzlich von Stephan Vogt wiederholt und mit diesem unglaublich guten Video geehrt.
- Die „Dawn Wall“ 9a als schwerste Mehrseillängen-Route der Welt. Erstbegangen von Tommy Caldwell und Kevin Jorgesson. Einen guten Eindruck davon bekommt ihr in diesem Video der schwersten Seillänge.
- „La Dura Dura“ 9b+ erstbegangen von Adam Ondra und zuvor jahrelang projektiert von Chris Sharma. Er sicherte sich anschließend die erste und einzige Wiederholung.
Der Klettersport wächst und gedeiht und es gibt zu viele Namen bedeutender Athleten, die hier genannt werden müssten. Um nur ein paar der ganz großen und unvergessenen Namen zu nennen folgende Liste:
Die wahrscheinlich bekanntesten Kletterer
- Wolfgang Güllich trieb den Klettersport bis in den neunten Schwierigkeitsgrad (französisches System), revolutionierte das Klettertraining und ist bis heute vor allem aufgrund seiner Persönlichkeit unvergessene Legende. Hier ein Video-Portrait.
- Adam Ondra ist die disziplinenübergreifende Speerspitze des leistungsorientierten Kletterns.
- Chris Sharma verkörpert für viele den Lifestyle des Kletterns und hat bereits früh Maßstäbe auf der Schwierigkeitsskala gesetzt. Heutzutage erschließt er vor allem schwere Neutouren höchster Qualität in Spanien am Seil und über dem Wasser (Deep Water Solo)
- Ashima Shiraishi gilt als weibliche Zukunft des Kletterns und ist die einzige Dame mit einem 8C/V15-Boulder in ihrer Tickliste.
- Die Damen des Jahres 2017: Angy Eiter mit der ersten weiblichen 9b, Margo Hayes und Anak Verhoeven mit ihren 9a+-Begehungen.
- viele weitere in allen Disziplinen…
Wettkämpfe im Klettern
Klettern wird olympisch! Im Jahre 2020 wird der Klettersport mit einer Kombiwertung aus den Disziplinen:
- Lead (Sportklettern),
- Bouldern und
- Speed (klettern einer genormten Route auf Zeit)
in der Olympiade vertreten sein. Bisher gab es allerdings nichtmal eine Hand voll Athleten, die in allen Disziplinen angetreten sind, da sich die Anforderungen für Erfolg teilweise wiedersprechen. Quasi ein magisches Dreieck, das es zu optimieren gilt. Es steht viel und intensives Training an für alle Olympia-Aspiranten.
Rund um diese drei Teildisziplinen gibt es weltweit Wettkämpfe vom offiziellen organisierten Lead- und Boulder-Worlcup mit einer Wertung aus über 10 Einzelevents bis zum alljährlichen Spaßwettkampf in jeder Halle.
Hier kannst du dir ein Lead-Finale ansehen >>
Die ganz großen Namen im Wettkampfklettern sind derzeit Adam Ondra und Janja Garnbret. Außerdem auffällig sind die Japaner. Die Dichte erfolgreicher japanischer Wettkampfkletter vor allem im Bouldern ist absolut überdurchschnittlich und oft treten in einem Finale mehr japanische Athleten als andere Nationalitäten zusammen an.
Glückwunsch! Du hast bis zum Schluss durchgehalten und bist nun up2date beim Thema Klettern. Hast du weitere Fragen, Wünsche und Anregungen? Schreibe mir über das Kontaktformular!