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Sicherheit und Taktik beim Deep Water Soloing
In diesem Artikel geht es um die praktischen Dinge beim Deep Water Solo. Wie man zum Einstieg gelangt, wie man wieder runter kommt und wann eine Route doch gefährlich sein kann.
Was dieses Deep Water Soloing überhaupt ist erfährst du im Artikel Deep Water Soloing – Was ist das überhaupt?

Andi selbstsicher einige Meter über dem Wasser in Mallorca, weil er den Sturz schon ein paar mal hinter sich gebracht hat.
Sicher beim Deep Water Soloing? So geht´s
Auf die folgenden Punkte solltest du immer achten bevor es losgeht zum solieren:
Gezeiten
Die Gezeiten oder Ebbe und Flut sind das allerwichtigste Sicherheitskriterium. Das Wasserlevel kann für den selben Spot innerhalb eines Tages zwischen Spaß und potenziell tödlich schwanken.
Allerdings kommt es hier auch sehr auf den auserwählten Ort an. Für alle im Mittelmeer gelegenen Gebiete spielen die Gezeiten sogut wie keine Rolle. Im DWS-Paradies Mallorca ist diese Überlegung irrelevant und man kann unbeschwert den ganzen Tag genießen.
In England oder Vietnam muss man die Gezeitentabellen aber sehr genau prüfen, am besten im Internet oder vor Ort.
Auf der Seite Deep Water Soloing Gebiete findest du eine Aufzählung der Hotspots in Deutschland und rund um die Welt für diese erfrischende Disziplin des Kletterns.
Verhältnis von Sturzhöhe zu Wassertiefe
Je höher der potenzielle Sturz, desto tiefer muss das Wasser sein. Es gilt immer die Beine zu schließen und die Arme anzuglegen, sodass man kerzengleich und reibungsarm ins Wasser eintaucht.
Bezüglich der Wassertiefe gibt es durchaus Strategien um hier noch näher ans Limit zu gehen, wie geplante Landen auf dem Rücken. Diese gefährlichen Routen findet man hauptsächlich in UK, die dort ja ein Faible für Gefahr beim Klettern haben.
Die potentielle Gefahr von Stürzen in den jeweiligen Routen ist im Deep Water Guide von Rockfax* mit den Graden S0 (Spaß) – S3 (tödlich) bewertet. Die Verantwortung die akute Gefahrenlage zu bewerten, liegt bei jedem selbst!
Wellen und Strömungen
Bereits leichter Wellengang erschwert das Verlassen des Wassers erheblich. Das ist nicht so wichtig, wenn der Ausstiegspunkt ein Sandstrand ist. Muss man jedoch aus dem Wasser klettern, erwarten den Schwimmer an solchen Klippen gewaltige Kräfte, die jegliches Klettern verbieten. Zudem muss man seinen Ausstiegspunkt immer im Voraus festgelegt haben und eventuell präpariert (Strickleiter oder Schlinge) haben.
Gefahren im Wasser
Auch wenn der Führer für eine Route S0 ausgibt, muss vorab immer ein eigener kontrollierender Blick in das Wasser geworfen werden. Küsten verändern sich. Zuerst sollte man mögliche Felsen oder andere Hindernisse für das Eintauchvergnügen ausschließen. Darüberhinaus kann auch eine große oder ein ganzer Schwarm von Quallen den Plan über den Haufen werfen.
In Portugal habe ich mal den gesuchten Felsen zwei Stunden lang nicht finden können, trotz mehrmaligen Auf- und Abmarschierens an der Küste. Bei genauerem Studium der Bilder habe ich dann realsiert, dass der gesamte Block in Größe von 3 LKW´s zwischenzeitlich ins Meer gesunken ist.
Wassertemperatur
Die Wassertemperatur ist im Sommer und Herbst im Mittelmeer kein Problem. Der Antlatik kann aber zur selben Zeit ganz schön frisch sein. Die Kälte beeinflusst das Entscheidungsvermögen des Schwimmers und beeinträchtigt auch die Schwimmfähigkeiten.
Freischwimmer oder doch Seepferdchen?
Man sollte sehr ehrlich sein mit der Einschätzung des eigenen Schwimmvermögens und immer eine große Sicherheitsreserve einplanen. Beispielsweise sind 200 m Schwimmstrecke zum überhängenden Ausstiegspunkt bei einer potenziell gefährlichen Route (Verletzungen durch Aufprall) eine risikohafte Faktorenkombination.
Deep Water Solo ist kein Solosport
Man geht niemals allein zum DWS! Es kann immer etwas Blödes passieren, dass alleine sehr brenzlig ist. Zu zweit ist jedoch immer Rettung nah.
Jetzt aber genug der Risikoplanung. Im nächsten Abschnitt geht es um ein paar taktische Überlegungen.
Zustieg
Üblicherweise sind wir Kletterer es gewohnt von unten in eine Route einzusteigen und dann am letzten Haken in das rettende Seil zu kollabieren oder über eine Kante zu klettern. Beim DWS verhält es sich im Bezug auf das über-die-Kante-klettern sehr ähnlich. Da man sonst eben in der Wand bleibt, ist es üblich oben auszusteigen. Manchmal ist oben aber tückisch. Dieses „oben“ kann auch mal mitten in einer Wand ohne Ausstieg sein. Dann hilft nichts anderes als der mutige Sprung in die verdiente Abkühlung.

Tim und Glenn rasten auf dem Weg in die Hauptwand von Porto Colom, Mallorca
Anders sieht es allerdings mit den Einstiegen in die Routen aus. Einfach aus dem Umstand heraus, dass die Fläche unter einer Route mehr oder weniger tiefes Wasser bildet. Für alle diejenigen, die nicht wie Jesus über das Wasser wandeln, stellt sich also die Frage, wie man zum Start einer Route kommt.
Mögliche Techniken sind:
- Von oben runterspringen und direkt aus dem Wasser starten
Nachteil: Man klettert mit nassen Händen mindestens bis zu einem Rastpunkt, an dem entweder Handtuch und Chalk deponiert sind oder man trocknet stehend/hängend in der Sonne (auf einem Vorsprung, in einem Knieklemmer o. ä.).
Oft gibt es aber auch Höhlen und Rastpunkte, an denen man erstmal trocken kann, bevor es ans Eingemachte geht. An der Cova del Diablo erreicht man so eine Höhle jeweils per Aufstieg an einem alten Seil. Also am besten vorher noch ein paar Klimmzüge trainieren.
Es ist sinnvoll hier ein Handtuch und Chalk aus deiner Ausrüstung in einem Drybag zu deponieren, denn solch eine Höhle kann die Homebase für einen ganzen Tag Kletterspaß bieten.
- Abseilen und dann aus dem Gurt schlüpfen
Problematisch ist oftmals das Finden eines geeigneten Abseilpunktes. Außerdem kämpft man abhängig von der Steilheit der Route mit dem Seil im Weg. Manchmal bildet diese Möglichkeit, aber den einzigen Weg um trocken zum Einstieg des Wunschprojekts zu gelangen.
Um ein umständliches Befreien aus dem Gurt zu umgehen, gibt es hierfür eine unbequeme aber schnelle Methode. Der Klettergurt wird durch eine lange Schlinge ersetzt, die mit dem Karabinder am Abseilgerät verbunden wird. Unten angekommen müssen dann nur noch 1-2 Enden aus dem Karabiner ausgeklippt werden und schon ist man frei. Das Basteln eines Gurts aus einer Schlinge wird in diesem Video demonstriert.
- Abklettern und queren
Dies ist die meist-verbreitete Methode. Allerdings sind manchmal die Querungen bereits anstrengender als die eigentliche Route. Gerade in Mallorca finden sich in den Querungen oft kleinere Höhlen oder Knieklemmer an denen man nachchalken und rasten kann.
- Einstieg per Boot
Üblicherweise sticht man bei dieser Methode in See mit den billigen orangenen Aufblasboote, die immer in den Ramschläden rund um belebte Strände zum Verkauf stehen. Professioneller sind Kajaks, die jedoch zuverlässig aus dem Landebereich gehalten werden müssen (Schlauchboote am besten auch).
In der mystischen Ha Long Bay in Vietnam beispielsweise ist es üblich durch einen einheimischen „Captain“ in einer motorisierten Nussschale bis zu den Startgriffen kutschiert zu werden. Aufgrund des totalen Fehlens von irgendwelchen Höhlen und Rastpunkten am Einstieg ist dies dort, neben Schwimmen, auch die einzige Möglichkeit um den Startpunkt zu erreichen.
Einsteigertipp´s für das erste Mal Deep Water Soloing
Hier noch ein paar kurze Tipp´s für den gelungenen Einstieg in´s Psicobloc-Business:
- Systematische Desensibilisierung: Vorher von oben springen. In der Höhe zunehmende Checkpoints setzen von denen abgesprungen wird um sich an das Top heranzutasten.
- Alle Punkte der Überschrift „Sicher beim Deep Water Soloing“ beachten!
- Sonnencreme, Kopfbedeckungen usw. nutzen. Ganz so wie man das von der Mama gelernt hat. Und unbedingt ausreichend trinken, da eine sonnige Wand die Hitze reflektiert.
- Man sollte sich darauf einstellen, dass man ein paar Grade unter dem persönlichen Rotpunkt-Limit startet und auch erstmal weitermacht.
Gemeinsame Desensibilisierung beim Deep Water Solo in Cala Mitjana, Mallorca