Kletterunfall: 10 Gefahren, die du kennen solltest

2016 hat es laut DAV Unfallstatistik sechs tödliche Kletterunfälle gegeben. Fünf davon haben sich beim Alpinklettern ereignet und einer an einer Kunstwand. Keinen tödlichen Vorfall gab es allerdings beim Bouldern und Sportklettern. Als Einschränkung ist zu nennen, dass die Statistik sich nur auf DAV-Mitglieder bezieht. Insgesamt gab es leider sicher nicht nur einen traurigen Kletterunfall beim Sportklettern.

Hubschrauber landet in Flatanger bei einem Kletterunfall

Ein Rettungshubschrauber vor der rießigen Hanshalleren Cave in Flatanger. Der Kletterer hat einen selbstverschuldeten Kletterunfall glücklicherweise verletzt überlebt.

 

Schonmal vorab: Eine einfache Möglichkeit einen Unfall beim Klettern zu verhindern ist es sich stur, stupide, immer auch wirklich immer vor jeder einzelnen Route für immer und ewig an den Partnercheck zu erinnern. Check your knot!

Ich habe vor kurzem festgestellt, dass ich jetzt bereits vor über neun Jahren die wichtigen Dinge des Lebens (Fels) in die Hand genommen habe. In dieser Zeit sind in meinem Gehirn ein paar mehr oder weniger offensichtliche Unfallmechanismen hängen geblieben, die mir auch hätten passieren können.

Beim Thema Kletterunfall horcht jeder Vertikalsportler aufmerksam auf und versucht zu verstehen, was passiert ist, um das selbe Unglück zu vermeiden. Ziel dieses Artikels ist es mir und dir potenzielle Gefahren bewusst zu machen, um somit noch sicherer unterwegs sein zu können. Welche persönlichen Maßnahmen, du hieraus ableitest – falls überhaupt – sei dir überlassen. Die meisten Kletterunfälle sind vermeidbar.

Hier sind zehn mehr oder weniger unwahrscheinliche Unfälle beim Sportklettern:

Scharfe Fix-Exe schneidet Seil durch bei Sturz

In sehr steilen Routen (aber nicht nur in diesen) hängen rund um die Welt bestimmt tausende fixe Expressschlingen. Besonders die Exen unter Schlüsselstellen erleben proportional mehr Stürze als die restlichen in der Route. Mit der Zeit werden diese von den vielen unterschiedlich sauberen Seilen so stark eingeschliffen, dass scharfe Kanten entstehen.

Es ist in der Vergangenheit passiert, dass diese Kanten scharf genug wurden um Seile durchzuschneiden. So wurde die vermeintliche Sicherheit durch die Expressschlinge beim Sturz zur Unfallursache.

https://www.thebmc.co.uk/the-dangers-of-worn-permadraws

 

Schlinge der Exe reißt durch Abrieb an Fels

Durch mehrere Seitwärtsstürze bei denen die Schlinge zwischen den zwei Karabinern der Expressschlinge am Fels entlangrieb, ist diese bei einem schwedischen Kletterer gerissen.

Hier die Quelle:

„A bolt placed on a lip above a roof where you continue climbing diagonal might be a death trap as several sideway and inward falls might break the sling. If it does not break but did wear down significantly, against the rock, you might be carrying a death trap quick draw in your rack.

A Swedish climber was lucky, some days ago, when his 18 months sling broke after 5-7 such sideway and inwards falls. All bolts where the sling are at risk for such breaking should be removed.“ – von 8a.nu

 

Kopfverletzung durch zu lockeren Gurt

Hier handelt es sich um einen sehr aktuellen Vorfall der englischen Profi-Kletterin Mina Leslie-Wujastyk. Ich hätte diesen Unfallmechanismus niemals vorausgesehen oder bewusst etwas dagegen unternommen. Unterbewusst habe ich zum Glück alles richtig gemacht.

Mina arbeitete an ihrem Langzeitprojekt Rainshadow 9a, eine ausreichend gut abgesicherte Sportkletterroute in England. Bei einem Standardsturz in der stark überhängenden Crux, den sie schon viele Male zuvor genauso gemacht hat, kippt sie durch den Fangstoß nach hinten Weg und schlägt mit dem Kopf in die Wand ein. Glücklicherweise ist sie mit einer Platzwunde davongekommen, obwohl die Retter vor Ort Schlimmeres befürchteten.

Was ist passiert? Sie hatte in den Wochen vor dem unglücklichen Sturz einige Kilos abgenommen. Obwohl sie den Gurt bis zum Anschlag zugezogen hatte, war er doch zu weit. So passierte es, dass das Seil beim Fangen des Gurts sie nicht in die gewohnte stabile Position zog. Stattdessen dreht sich ihre Hüfte einfach weiter bis sie köpfüber hing.

Bei einem ausreichend engen Gurt wäre es ein normaler Sturz, wie jeder andere gewesen.

Hier gibt es ihren lesenswerten Bericht inklusive Konsequenzen, die sie aus diesem Erlebnis gezogen hat.

http://www.minalesliewujastyk.com/a-tough-day-at-malham-cove

 

Nicht fixierter Karabiner in Standschlinge hängt sich beim Clippen des Hakens versehentlich aus

Das ist jetzt nur Hören-Sagen, aber so wurden mir die Umstände von Kurt Alberts Tod einmal erklärt. Er wollte sich mit einer Standschlinge in das Stahlseil des Klettersteigs einclippen, wobei sich die Schlinge aushängte.

Ich sehe viele Kletterer überall, deren Karabiner lose in der Standschlinge baumelt. Ob man diesen jetzt am besten per Mastwurf oder Sackstich fixiert müssen die Experten beantworten. Beides ist aber sehr viel besser als gar nicht fixieren. Von der Fixierung, die im nächsten Fall beschrieben ist, sollte man aber absehen.

 

Gummifixierung des Standschlingen-Karabiners reißt

Hierbei handelt es sich um einen etwas komplizierten Mechanismus, aber hochbrisant. Das Bild erklärt die Sache recht gut:

Im ungünstigen Fall kann die Gummifixierung der Standschlinge zu einem Kletterunfall führen

Quelle: DAV

 

Falsch montierte Exen reißen

Dieser Unfallmechanismus hat vor einigen Jahren das junge Klettertalent Tito Traversa das Leben gekostet. Er benutzte die Exen eines seiner Teammitglieder (ebenfalls ein Kind). Als er sich am Ende der Route ins Seil setzte, rissen alle Exen, sodass er auf den Boden stürzte und umkam.

Was ist passiert? Die Exen seines Teamkollegen wurden von diesem falsch montiert. Diese bestanden aus zwei Karabinern, der Schlinge und einem Gummi, der den unteren Karabiner in Position halten soll.

Genauere Info´s zum Unfall und warum das jedem hätte passieren können findest du hier:

http://www.bergsteigen.com/news/toedlicher-unfall-wegen-falsch-montierter-express

 

Loser Griff fällt auf Sicherer = Steinschlag

Dieser „beinahe“-Unfall beim Klettern ist mir selbst vor ein paar Wochen passiert. Die Gefahr ist jedem bewusst und kollektiv verdrängt, aber ab und zu wird wieder man unangenehm gewahr, wie knapp das gerade war.

Ich kletterte eine Route an der seit Jahrzenten viel-bekletterten Betzensteiner Sportkletterwand. Ich ärgerte mich, weil ich oben keinen Umlenker fand und bereits in der Grounder Zone war. Also kletterte ich wieder ab und wollte gerade einen dieser runden, rauhen und moosig weichen fränkischen Normhenkel greifen. Dieser fiel jedoch einfach anstandslos bei der kleinesten Berührung herunter und verfehlte meine Sicherungspartnerin nur, weil ich schnell genug Stein rief und sie noch wegkam.

Der Henkel wiegt circa ein Kilo und fiel aus zehn Metern Höhe in perfektem Kollisionskurs. Vielleicht wartete er dort schon seit 300 Jahren auf einen von uns oder eventuell ist er erst im letzten Winter vom Frost abgesprengt worden. Die Bruchkante ist superglatt und ich hätte nie erwartet, dass er locker wäre.

Bei einem anderen Vorfall vor ein paar Jahren saßen wir in einer Gruppe von fünf unter einem Kletterer und plauderten angeregt. Der Kletterer über uns riss in einer wenig bekletterten Route einen halben Kühlschrank Fels aus der Wand. Wundersamerweise wurde niemand getroffen. Nur der Clipstick (härter als ein Schädel) wurde zermalmt.

Oft sehe ich Kinder direkt am Wandfuß spielen…

 

Die Bruchlast eines geöffneten Karabiners beträgt weniger als die Hälfte

Vor kurzem sah ich in der Route „Liebe ohne Chance“, dass der obere Karabiner der Exe in der ich saß vom Fels aufgedrückt wurde. Möglicherweise wird dieser auch beim Sturz genauso aufgedrückt. Die Bruchlast meiner Exe beträgt in diesem Fall nur noch 9 statt 23 kN. Kommt dann noch eine Hebelwirkung z. B. aufgrund eines verdrehten Karbiners dazu ist ein Karabinerbruch bei einem Sturz gar nicht unwahrscheinlich.

Hier kannst du die Belastung für verschiedene Stürze berechnen:

https://www.bergfreunde.de/sturzfaktor-klettern-rechner/

Mehr über Karabinerbrüche von der DAV Sicherheitsforschung:

https://www.alpenverein.de/bergsport/sicherheit/klettern/karabienrbrueche-karabinerbruch-karabiner-schnapper-expressschlingen_aid_29787.html

 

Unverschlossenes Rapid Mallion biegt sich beim Abseilen auf und Kletterer stürzt ab.

Rapid Mallions oder Schraubglieder werden gerne benutzt um Material zu retten in Routen mit Expansionhaken oder zum Abseilen in Mehrseillängen. Ebenso sind sie jetzt Politik der IG Klettern in der Fränkischen um Umleker zu schonen. Wenn diese nicht ordentlich verschlossen sind, können sie bei Belastung einfach versagen.

http://www.epbv.eu/nachrichtenleser/items/30.html

 

Ausklippen beim Abbauen einer Traverse

Die Route Kakkestykket in Flatanger verläuft überhängend von links nach rechts, wie ein Art Traverse. Ein Kletterer baute die Route, wie gewohnt ab indem er sich in das Seil klippte und sein Sicherungspartner ihn Stück für Stück abließ. An der letzten vorletzten Exe angekommen klippte er die Expresse an seinem Gurt aus welchen Gründen auch immer (vielleicht unabsichtlich) aus dem Seil aus und schwang in einen Felsblock kurz über dem Boden. Er hatte Glück und überlebte mit einem gerissenen Lungenflügel und Prellungen.

Routen, bei denen die Gefahr eines Aufschlagens beim Abbauen besteht, baut man aus Sicherheitsgründen im Nachstieg von unten ab. Backcleaning ist auch eine Option, aber nicht weit verbreitet oder seilschonend. Dabei klippt man eine Exe aus und springt ins Seil. Dies wird wiederholt bis man an der untersten angekommen ist. Der letzte Rest wird abgeklettert.

Diese Liste erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, sondern sammelt nur die Unfallmechanismen von denen ich (zum Glück) verschont geblieben bin. Kennst du weitere Fälle, die hier reingehören? Schreibe einen Kommentar

Weitere Links:

Partnercheck

DAV Sicherheitsforschungsseite

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